Ist der Handel mit THG-Quoten noch ein Geschäftsmodell?

  • 2024-10-16
  • THG Quote Allgemein


Gefährdet: Warum Startups und etablierte Unternehmen im THG-Quotenmarkt ums Überleben kämpfen



Die THG-Quote als Anreizsystem für Elektromobilität


Die THG-Quote schafft über geschickte Handelsmechanismen für Privatpersonen und für Unternehmen finanzielle Anreize, sich für ein Elektroauto zu entscheiden. Denn im Vergleich zu einem Verbrenner sparen E-Fahrzeuge CO₂ ein und können dafür eine Prämie einstreichen. Und wo kommt die Förderung her? Das ist das Interessante dabei: Nicht aus Steuergeldern, sondern von Mineralölkonzernen, die ab dem Jahr 2022 Zertifikate benötigen, um deren Carbon Footprint zu einem kleinen Teil auszugleichen. Seither hat sich eine Vielzahl von Startups gebildet, um genau diesen Zertifikatehandel zu ermöglichen. In den letzten Monaten mussten jedoch einige dieser Startups und etablierten Unternehmen Insolvenz anmelden. Einer der jüngsten Fälle ist der Münchener Biomethanversorger Landwärme. 2022 lag deren Gewinn noch bei 32,6 Millionen Euro bei über 200 Beschäftigten. Heute befindet sich Landwärme im Insolvenzverfahren. Wie es genau weitergehen wird und welche Geldbeträge an die Gläubiger ausgezahlt werden, wird sich voraussichtlich erst in den kommenden Monaten klären. Ein Alarmsignal? Ist der Handel mit THG-Quoten überhaupt noch ein Geschäftsmodell?



Die Funktionsweise des THG-Quotenhandels


Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, die Funktionsweise der Unternehmen und des Quotenhandels zu verstehen. Pooling-Dienstleister wie Elektrovorteil fungieren als Vermittler zwischen Besitzern von Elektrofahrzeugen und Mineralölunternehmen. Sie übernehmen den gesamten Prozess von der Beantragung der CO₂-Zertifikate bis zur Auszahlung der sogenannten THG-Prämie. Dabei kaufen sie Emissionsrechte von E-Fahrzeug-Besitzern, bündeln diese und verkaufen sie gesammelt an Ölkonzerne.



Preisbildung und Preiskollaps im Zertifikatehandel


Beim Zertifikatehandel richtet sich die Preisbildung wie auf so ziemlich jedem Markt nach den Prinzipien von Angebot und Nachfrage. Mit einer Börse vergleichbar gibt es dazu den THG-Quotenkurs. Nun ist dieser Quotenkurs über 75% eingebrochen. Der mittlerweile seit über 2 Jahren andauernde Preiskollaps wird hauptsächlich ausgelöst durch betrügerische Klimaschutzprojekte im Ausland. ZDF & Frontal 21 berichteten dazu kürzlich. Diese untergraben nicht nur die Erreichung unserer Klimaziele, sondern schädigen auch einen gesamten Wirtschaftszweig.



Geschäftsmodelle und finanzielle Risiken der Dienstleister


Die stark gesunkenen THG-Quoten setzen die Anbieter erheblich unter Druck. Dieser Umstand führt dazu, dass viele Quotendienstleister bis an ihre Schmerzgrenze oder sogar darüber hinausgehen, um dem Kunden eine möglichst hohe Prämie auszuschütten, bei gleichzeitig sinkender Rentabilität. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, spekulieren manche Anbieter auf steigende Quotenkurse. Das bedeutet, sie kaufen die Emissionsrechte im Voraus von den E-Mobilisten, ohne sie bereits an einen Ölkonzern verkauft zu haben. Wenn sie die angestrebten Verkaufspreise nicht erzielen können, kann dies zu finanziellen Schwierigkeiten führen.


WICHTIG: Elektrovorteil spekuliert nicht beim Zertifikatehandel. Unsere Strategie basiert auf Stabilität und Nachhaltigkeit. Wir kaufen die Zertifikate nur, wenn diese bereits einen Käufer haben. Über langfristige Rahmenverträge ist dies stets garantiert.


Was bedeutet das in konkreten Zahlen? Um den Grad der Abstraktion zu reduzieren: Statt 400 € im Jahr 2022 erhält man beim Zertifikatehandel für ein E-Auto heute nur noch etwa 80 € Prämie. Der Kunde versteht die Mechanismen des Quotenhandels oftmals nur oberflächlich. Dabei wird das Unternehmen schnell beschuldigt, in die eigene Tasche zu wirtschaften und einen Großteil der Prämie für sich zu behalten. Die gesunkenen THG-Quoten setzen die Anbieter also von verschiedenen Seiten unter Druck.



Notwendigkeit der Marktstabilisierung


Angesichts dieser massiven Marktverzerrungen muss der Markt schnellstmöglich stabilisiert werden. Eine Rettung der THG-Quote ist unerlässlich, um unsere Klimaziele zu erreichen und Unternehmen wieder profitabel zu machen. Ansonsten könnte ein kompletter Wirtschaftszweig gezwungen sein, seine Geschäftstätigkeit einzustellen, was nicht nur Arbeitsplätze gefährdet, sondern auch die Innovationskraft der Branche schwächt.



Vorgeschlagene Maßnahmen zur Marktregulierung


Um das bestehende Überangebot im Markt für THG-Quoten wirksam zu bekämpfen, sind konkrete Anpassungen der Regulierungsstrategien erforderlich. Eine zentrale Maßnahme hierbei ist die Anhebung der Quotenziele für Mineralölkonzerne. Darüber hinaus sollte die Anerkennung von Quoten aus Ländern wie China, die keine Vor-Ort-Audits in Biodieselanlagen durchführen, strikt untersagt werden. Der Bundesverband THG-Quote e.V. hat dem Umweltministerium dazu bereits einen konkreten Maßnahmenplan vorgelegt.



Kritik an der Bundesregierung


Es scheint, dass die derzeitige Haltung der Bundesregierung zur Stabilisierung der Quotenkurse und zur Erreichung unserer Klimaziele von strategischen Überlegungen geprägt ist, die über den reinen Klimaschutz hinausgehen. Doch welche politische Agenda steht dahinter? Möchte man die mächtigen Lobbygruppen nicht verärgern? Geht es um Symbolpolitik, die nächsten Wahlen, oder alles zusammen und noch viel mehr? Die Erreichung der Klimaziele wird von der Bundesregierung als Priorität verkauft, doch der Fokus liegt eindeutig auf dem ökonomisch günstigsten Weg – und nicht auf tiefgreifenden, strukturellen Veränderungen. Statt echte, nachhaltige CO₂-Einsparungen zu erzielen, geht es offenbar primär darum, die Klimaziele auf dem Papier zu erreichen. Oder ist die Regierung zu sehr damit beschäftigt, weiteren Reputationsschaden zu vermeiden, als sich ernsthaft mit der Reformierung der THG-Quoten auseinanderzusetzen. Nach vergangenen politischen Versäumnissen besteht die oberste Priorität vielleicht darin, sich bis zur nächsten Wahlperiode möglichst krisenfrei zu retten.



Die Verantwortung des Staates


Der Staat hat diesen regulierten Markt geschaffen und trägt somit die Verantwortung, sicherzustellen, dass der Markt und das Instrument dahinter seine Lenkungswirkung entfalten kann. Das bedeutet, dass der Staat nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen setzt, sondern auch aktiv überwacht, wie sich der Markt entwickelt. Er muss gewährleisten, dass die Stromquote effektiv dazu beitragen kann, die Elektromobilität zu fördern und die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Dazu gehört auch, Regelungen anzupassen, wenn sie nicht die gewünschte Wirkung erzielen oder unerwartete Probleme auftreten.


Die prekäre Lage von Startups und der Ruf nach politischen Maßnahmen


Für viele Unternehmen, die sich auf den THG-Quotenhandel spezialisiert haben, ist die derzeitige Situation besonders prekär. Aufgrund der instabilen Marktbedingungen und des Preisdrucks stehen diese vor existenziellen Herausforderungen. Ohne rasche und effektive Maßnahmen zur Marktstabilisierung könnten zahlreiche innovative Betriebe gezwungen sein, ihre Geschäftstätigkeit einzustellen. Es liegt in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger, jetzt die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zukunft dieser wichtigen Branche zu sichern.